Tinnitus tritt häufig mit anderen Erkrankungen wie Angststörungen, Depression und Hörminderungen auf. In letzter Zeit häufen sich Artikel, die auch auf ein erhöhtes Demenzrisiko bei Tinnitus hinweisen. In diesem Beitrag klären wir, was wirklich dahintersteckt – und worauf Sie in der Patientenkommunikation achten sollten.
Immer wieder kursieren in den Medien missverständliche und teils unseriöse Informationen zu den Ursachen und Therapien von Tinnitus. Neben den sozialen Medien und der Publikumspresse ist es wichtig, auch auf medizinischen Fachportalen genau hinzuschauen. In einem aktuellen Artikel von Medical Tribune heißt es z. B.:
„Eine Hörstörung im mittleren Alter ist mit 7 % der größte modifizierbare Risikofaktor einer Demenz. Und auch ein Tinnitus geht mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für kognitive Abbauprozesse einher. Vor allem exekutive Funktionen und das Kurzzeitgedächtnis fallen darunter. Depressivität im höheren Lebensalter, soziale Isolation und körperliche Inaktivität können diese Prozesse zusätzlich verstärken.“
Oft werden Tinnitus und Demenz miteinander in Verbindung gebracht, da beide häufig im Zusammenhang mit einer Innenohrschwerhörigkeit auftreten. Bei Tinnitus aufgrund einer Schwerhörigkeit führen defekte Haarzellen zu irregulären Erregungen im Bereich der Hörbahn, was – insbesondere bei einer gestörten Filterfunktion der Hörverarbeitung – zur Wahrnehmung von Ohrgeräuschen führen kann. Je stärker die Schwerhörigkeit, desto präsenter ist der Tinnitus. Eine unbehandelte Schwerhörigkeit kann zudem den kognitiven Abbau fördern und damit das Risiko für Demenz erhöhen. Wichtig ist: Tinnitus führt nicht zu Demenz. Beide Phänomene sind Folgen einer cochleären Schädigung, hängen aber keineswegs kausal zusammen! Es handelt sich also um Komorbiditäten infolge einer Schwerhörigkeit.
Die Aufklärung über die Ursachen von Tinnitus ist für den Therapieerfolg von Tinnituspatient*innen enorm wichtig. Denn bei schätzungsweise der Hälfte aller Tinnitusfälle treten die Ohrgeräusche als Folge von chronischem Stress oder psychischen Erkrankungen auf, die die emotionale Regulation beeinträchtigen und die Aufmerksamkeit verstärkt auf den Tinnitus lenken. Die Fehlinformation, Tinnitus führe zu Demenz, verunsichert Betroffene verständlicherweise nachhaltig und verhindert so eine Kompensation der Ohrgeräusche. Denn nur wenn man von der Harmlosigkeit der Geräusche überzeugt ist, sinkt der Stresspegel und die emotionale Betroffenheit und damit auch der Leidensdruck.
Neben einer sorgfältigen Anamnese ist eine wertschätzende Kommunikation mit Patient*innen bei Tinnitus von zentraler Bedeutung. HNO-Ärzt*innen sollten Betroffene unbedingt über die Ursachen von Tinnitus aufklären und sie hinsichtlich des Demenzrisikos beruhigen, um die Grundlage für eine effektive Tinnitustherapie zu schaffen. Weitere wertvolle Tipps zu Diagnostik, Beratung und Therapie erhalten HNOnet-Mitglieder in unserem Whitepaper zur Tinnitustherapie in der Praxis.
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